Internationaler Seegerichtshof International Tribunal for the Law of the Sea

Rechtsgrundlage für die jetzt in Nienstedten stattfindenden internationalen Aktivitäten ist das Seerechtsübereinkommen der UN von 1922, dem bisher 133 Nationen beigetreten sind. Ihre Fahnen flankieren eindrucksvoll den Eingang zum Großen Sitzungssaal. Zuständig ist das Gericht für internationale Streitfälle bei allen Meeresnutzungen, z.B.: Schifffahrt, Fischfang, Abgrenzung der Hoheitsgebiete, Tiefseebodenbergbau, Schutz der Meeresumwelt. Um diese Internationale Einrichtung haben sich alle wichtigen Länder beworben, handelt es sich doch um ein „Schaufenster für die Welt“! Wir können stolz sein, dass es in Nienstedten steht und wollen dafür die für den „Kulturraum Elbchaussee“ ungewöhnliche Höhe des Gebäudes gern hinnehmen.

Es gibt nur wenige kompetente Fachleute auf diesem umfangreichen Rechtsgebiet. Die 21 Richter (+4 Ersatzrichter) werden für jeweils 4 Jahre von den Mitgliedsstaaten nach einem festgelegten geografischen Verteilungsschlüssel gewählt: je 5 aus den asiatischen und den afrikanische Staaten, je 4 aus den lateinamerikanischen, den karibischen und den westeuropäischen (einschließlich anderer) Staaten, 3 aus den osteuropäischen Staaten. Die Farbe der Richterroben ist dunkelblau. Die Verwaltung des Gerichtshofes wird von der Kanzlei wahrgenommen. Das ständige Verwaltungspersonal besteht aus 31 Personen. Es wird bei Sitzungen usw. verstärkt bis zu 63 Beschäftigten. Die Verwaltung hat ihre Räume zur Straße, die Richter blicken zum Park bzw. zur Elbe. Beide Trakte sind voneinander getrennt.

1997 wurde mit dem Bau begonnen. Schon 1998 war Richtfest und am 3. Juli 2000 konnten die „Nienstedtener Gören“ Kofi Annan bei der feierlichen Schlüsselübergabe ein Ständchen bringen. Ende November waren die technischen Einrichtungen dann soweit, dass der Umzug vom Provisorium in der Wexstraße (Hamburg-Neustadt) nach Nienstedten in das repräsentative Gebäude auf dem inzwischen exterritorialen Gelände hinter dem hohen Zaun erfolgen konnte.

Das architektonische Konzept musste vor allem auf die Vorgabe des Denkmalschutzes Rücksicht nehmen: Die kleine Schröder’sche Villa soll Mittelpunkt der Gesamtanlage sein ohne erdrückt zu werden. Das neue große Gebäude musste also kleiner wirken als es wirklich ist. Der Sieger des Wettbewerbes, das Architekturbüro von Branca aus München, hat das in genialer Weise dadurch erreicht, dass die Horizontalen der „kleinen“ Villa von dem umschließenden „großen“ Gebäude aufgenommen werden und dessen Höhe durch die „Architraven“ optisch vermindert wurde. Die tatsächliche Höhe ist von der Elbschloßstraße erkennbar. Die fragwürdige Höhe der edlen Wohnsilos im sog. Elbschloßpark mit der Monotonie ihrer Baukörper ist damit allerdings nicht zu rechtfertigen. Weitere Auflagen betrafen die Außenanlagen: Die Erhaltung des Wanderweges mit dem Tunnel für die Öffentlichkeit (Steigung und Optik wurden wesentlich verbessert!) sowie die weitestgehende Schonung der Bäume, um die bekanntlich heftig gerungen wurde. Ein „Rand“problem stellen die Bäume am Zaun dar, denn nicht nur Eichhörnchen könnten über sie in das extraterritoriale Gelände gelangen.

Die Baukosten betrugen 123 Mio. DM (50 Mio. DM weniger als geplant, man hat also gespart, z.B. eine Solaranlage, Befahrtechnik für Fensterputzer). 80% der Kosten trug der Bund, 20% die Freie und Hansestadt Hamburg. Die Unterhaltungskosten werden von der UN getragen (17 Mio. DM). Eigentümer des 36.500 qm großen Grundstücks bleibt der Bund, der es mit den Gebäuden der UN kostenfrei zur Benutzung überlassen hat mit der Möglichkeit zur Veränderung.

Das Hauptgebäude umfasst 3 Gerichtssäle, 25 Richterzimmer, 11 Konferenzräume, 74 Büros. Außerdem Lobby, Bibliothek, Leseraum, Katalograum, Lagerraum, Hausmeisterwohnung sowie die große Eingangshalle (sie kann bei Voranmeldung besichtigt werden). Alle Räume sind elektronisch überwacht, die Sicherheitszentrale ist ständig besetzt. Die Hauptnutzfläche der Gebäude beträgt 4755 qm. Im Zentrum des Gebäudes zwischen den beiden Flügeln liegt der große runde Sitzungsraum mit Richterbank für die 21 Richter, Tische für jede Prozesspartei sowie Sitzplätze für deren Repräsentanten, 160 Plätze für Zuhörer. Es gibt 2 kleinere Säle, die mit dem Hauptsaal verbunden werden können, so dass dann bis zu 240 Personen Platz finden.

Modernste Technik mit Möglichkeit zur Anpassung an Fortschritt ohne bauliche Veränderungen ist installiert, u.a. 4 Kameras, eine Medienwand. Ton und Bild sind nach draußen übertragbar. Ein Zentrum für Videokonferenzen ermöglicht auch Zeugenvernehmungen von entlegenen Standorten. Übersetzerkabinen (Amtssprachen des Seegerichtshofes sind Englisch und Französisch) erlauben Simultanübersetzung in die 6 Amtssprachen der UN, bei Bedarf auch in andere Sprachen. Ein großer Beratungsraum für die Richter ist gleichzeitig Sicherheitsraum für Krisenfälle. Zusätzlich gibt es noch 2 kleinere Besprechungszimmer sowie Räume für Streitparteien und Zeugen und ein Kommunikationszentrum.

Die Kaminwirkung einer vorgesetzten Glasfassade sowie doppelschalige Gläser mit innenliegenden Lamellen vermindern die Wärmeeinstrahlung. Klimaanlagen sind „out“, stattdessen wurden Kühldecken eingebaut. Edle Hölzer bewirken einen freundlichen Eindruck: Möbel aus Schweizer Birnbaum, Fußboden in Eiche und Pitchpine. Die Villa Schröder, der optische Mittelpunkt des Komplexes, wurde völlig entkernt (wie bei Jacob und Holthusen). Eine bautechnische Schwierigkeit: die Gründung musste 2,60 m tiefer gelegt werden. Eine bautechnische Meisterleistung: Zwei Stuckdecken wurden dabei an Ort und Stelle belassen und blieben rissfrei! Die Villa wurde unterirdisch mit dem Hauptgebäude verbunden. Sie beherbergt Kasino und Bar, im Untergeschoss den Gesundheitsbereich mit Fitnessraum.

„War der ganze Aufwand denn nötig?“ hört man oft fragen, es gäbe ja kaum Prozesse. Nun, es wurden bisher fünf Fälle entschieden (der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat 18 Jahre auf den ersten Prozess gewartet), und zwar wegen Freigabe von Guinea bzw. Frankreich festgesetzter Schiffe sowie wegen Überschreitung der Fangquoten für den Blauflossenthunfisch durch Japan. Der Gerichtshof soll regelmäßig zweimal im Jahr tagen, bei Bedarf öfter. Es gibt aber eine Fülle von Konflikten, bei denen er im Hintergrund beratend und schlichtend tätig ist. Bei der zunehmenden Nutzung der Meere (und des Meeresgrundes) werden auch die Streitfälle zunehmen, und damit Nienstedtens internationale Bedeutung.

(Der Heimatbote 01/2001/HJG)

Weitere und aktuelle Informationen erhalten Sie auf der offiziellen Homepage des Internationalen Seegerichtshofs (ITLOS).