Der ehemalige Landsitz Baur
Elbchaussee 354 bis 374, einst war es Bauernland. Bei der großen Landreform von 1786/88, der Verkoppelung, gehörten die Flurstücke „Im Felde“ und „Grot und Lüttholtkamp“ dem Nienstedtener Bauernvogt Peter Groth. Im Jahre 1796 erwarb dieses Landstück der Justizrath F.J. Eitzen, und schon 1797 war Berend Roosen der Eigentümer. Der Altonaer Kaufmann und Reeder Johann Heinrich Baur erwarb in zwei Abschnitten 1803 und 1806 dieses Landstück zwischen heutiger EIbschloßstraße, Christian-F.-Hansen-Straße und Elbchaussee; er richtete hier seinen Landsitz ein.
Nach den Plänen des großen dänischen Architekten Christian Frederik Hansen ließ er sich 1804 – 1806 das sogenannte Elbschlösschen bauen. Baur führte genau Buch über die Baustoffeinkäufe und die bezahlten Handwerkerlöhne. Seines neuen Besitzes konnte er sich kaum erfreuen. Schon 1807 starb er 40-jährig plötzlich und unerwartet an einer tückischen Krankheit. Besitznachfolger wurde sein jüngerer Bruder und Geschäftkompagnon Georg Friedrich Baur (1769 – 1865), der sich in Blankenese den großen Baurs Park anlegen ließ. Den Nienstedtener Besitz gestaltete dieser weiter, und 1808 und 1809 zahlte er für das Anwesen in Nienstedten Honorare an den namhaften Architekten Joseph Ramèe (1764 – 1842), wobei es sich höchstwahrscheinlich um die Parkgestaltung handelte.
Eine Karte von 1865 über den in Nienstedten gelegenen Grundbesitz zeigt typische Strukturen eines von J. Ramèe geplanten Parks: große Grünfläche ohne Wegenetz, von Gehölzen mit Wegen eingerahmt. Das Landhaus liegt erhaben. In der Südostecke befindet sich ein mit Reet gedeckter runder Pavillon, der einen Blick elbaufwärts bietet und die Beobachtung des Verkehrs auf der Landstraße (Elbchaussee) ermöglicht. Peter Suhr hat in seiner Lithographie „Der Elbstrand in Nienstedten“ diesen Punkt festgehalten. Genau wie heute beim Haus Elbchaussee 354 ist der Geländesprung zur Straße durch eine Natursteinmauer gesichert (wahrscheinlich noch ein Relikt aus der Ramèe-Zeit). Solch ein steiler Geländesprung war damals ein Trick, um vom Parkinneren einen freien Blick in die Nachbarlandschaft ohne störenden Zaun zu haben. Westlich des Landhauses grenzte alter Baumbestand des „Holtkamps“ nebst kleinem Wasserlauf den Nutzgarten nebst Hofplatz vom Park ab.
Der Schwiegersohn Baurs, Dr. Eduard von Hildebrandt, war einer der letzten Nutzer des Grundstücks. Testamentar-Executoren verkauften das Grundstück. Als neue Eigentümer traten die Inhaber der Hutfabrik N.H. Dubbers in Altona auf. Im November 1881 wurde die EIbschloss- Brauerei gegründet, als Standort wurde die Westhälfte des nun Dubber‘schen Besitzes mit dem Landhaus erworben. Bis auf einige wenige Bäume und das „Elbschlösschen“ blieb nichts mehr vom herrschaftlichen Landsitz erhalten. Die Osthälfte wurde parzelliert und ab 1888 bebaut. Es entstanden sechs Parzellen, die von der Elbchaussee bis zur heutigen Christian-F.-Hansen- Straße durchgingen. Die Villen sind ein beachtenswertes Ensemble, von denen die Hausnummern 354 und 362 unter Denkmalschutz stehen. An der Südseite der Chaussee entstanden drei Parzellen, von denen Nr. 351 durch den damaligen Besitzer Dubbers bebaut wurde.
Nach dem Abbruch der Brauereigebäude im Jahre 1999 ist das Gelände im Zuge der Neugestaltung mittels Aufhöhungen gänzlich verändert worden. Die vier Großwohnhäuser mit den Eigentumswohnungen und einer ebenerdigen Tiefgarage stehen auf künstlicher Anhöhe und lassen das historische „Elbschlösschen“ in einem Loch erscheinen – keine geringere Bausünde als vor 115 Jahren die Errichtung der noch erhaltenen und nun auch denkmalgeschützten Neuen Mälzerei in unmittelbarer, fast erdrückender Nähe.
(Der Heimatbote 08/2003/HC)