Hochkamp und die Eisenbahn

Im Jahre 1865 hatte die Altona-Kieler Eisenbahngesellschaft mit dem Bau einer Bahnlinie nach Blankenese begonnen, welche 1867 dem Verkehr übergeben werden konnte; 1883 wurde die Eisenbahn vom preußischen Staat übernommen. Während der Jahre 1894 bis 1898 wurde sie vollständig umgebaut und teilweise aufgehöht, und 1907/08 erfolgte abermals ein weitgehender Umbau zwecks Einrichtung des elektrischen Bahnbetriebes, der Ende 1908 fertiggestellt wurde.

Bis dahin zogen noch Lokomotiven über die anfangs eingleisige Strecke rauchend und fauchend dahin. Haltestellen waren nur in Bahrenfeld und Kleinflottbek geschaffen worden, erst in den achtziger Jahren wurde der Bahnhof Großflottbek-Othmarschen und 1899 der von Hochkamp eröffnet nach der Anlage der dortigen Villenkolonien. Viel ist seitdem verbessert worden. Welch ein Wandel von den ersten kleinen, wenig zugkräftigen Lokomotiven bis zu den 1941 eingeführten still gleitenden Gleichstromwagen! Wer möchte heute wieder in die „gute alte Zeit“ unserer Groß- und Urgroßeltern zurückversetzt werden, für welche die anfangs bescheidenen Verhältnisse doch schon ein unerhört großartiger Fortschritt bedeutete! Die Lokomotive „Elbe“ konnte des Sonntags die stark besetzten Züge nur zur Hälfte über die Steigung zwischen Kleinflottbek und Blankenese ziehen; die andere Hälfte der Wagen mußte so lange warten, bis die „Elbe“ zurückkam und sie abholte!

Vorher verkehrten allerdings schon zweimal täglich, morgens 8 Uhr und nachmittags 3 Uhr, Pferdeomnibusse von Altona bis Blankenese, wo sie bei J. C. Hodorffs Gasthof hielten. Die Rückfahrt erfolgte morgens 10 Uhr und nachmittags 6 1/2 Uhr. Das vornehme Publikum benutzte zu seinen Ausflügen an die Elbe eigene oder Mietsdroschken.

Als dann im Frühjahr 1899 die elektrische Straßenbahn vom Altonaer Hauptbahnhof nach Blankenese eröffnet wurde – ich glaube, anfangs waren auch noch Pferde vorgespannt‚ waren die Elbvororte schon längst aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Nienstedtens und Osdorfs Einwohnerzahl war seit 1855 um fast das Dreifache, die von Kleinflottbek um das Doppelte gestiegen. Die elektrische Straßenbahn fuhr am Knick des Othmarschener Kirchenwegs entlang, weiter durch die Baron-Voght-Straße, Quellental, über den Nienstedtener Marktplatz, Hummelsbüttel (heute Rupertistraße), Eichendorff- und Manteuffelstraße, Mühlenberg bis zur heutigen „Johannesburg“ (seinerzeit Ecke Elbchaussee/Mühlenberger Weg). Die Strecke war eingleisig, auf die entgegenkommenden Wagen mußte an den Ausweichstellen gewartet werden.

Infolge der besseren Verbindung mit Altona durch die Eisenbahn und erneut durch den Zollanschluß Hamburgs 1888 sowie nach der Choleraepidemie von 1892 erlebten die Elbgemeinden eine sich immer stärker auswirkende Bevölkerungszunahme. Eine förmliche Stadtflucht setzte ein. Den reichen Hamburg-Altonaer Kaufherren folgten andere wohlhabende Städter, und diese zogen wieder Handwerker und kleine Geschäftsleute nach sich, die alle eine gute Existenz hatten.

Der einer alten Tönninger Familie entstammende Kaufmann Ferdinand Ancker, welcher seit 1876 eine Ziegelei in Großflottbek besaß, hatte bereits 1882 als Bevollmächtigter eines Konsortiums die Villenkolonie Neu-Othmarschen (um die S-Bahn-Station Othmarschen herum, also teilweise in Groß Flottbek, gelegen – das Dorf Othmarschen liegt bekanntlich im Bereich Hirtenweg/ Liebermannstraße) gegründet. Im Jahre 1896 gewann er für ein gleiches Unternehmen auf Nienstedten-Osdorf-Dockenhudener Feldmark die finanzielle Unterstützung des hamburgischen Kaufmanns Friedrich L. Loesener, einem Schwiegersohn des Reeders Robert M. Sloman junior. Letzterer besaß an der Flottbeker Chaussee in Othmarschen einen Landsitz, den später Loesener übernahm.

Ancker erwarb nun mit Loesener als Geldgeber umfangreiche Ländereien an der Eisenbahn von den Bauern. Es waren insgesamt 42 Hektar in Osdorf, 31 Hektar in Nienstedten und 26 Hektar in Dockenhuden. Diese waren zumeist gelegen in den Fluren Stegenkamp und Bockhorst (Osdorf), Ohlen-, Schanz-, Linden- und Grotenkamp (Nienstedten), Kortenkamp, Holtberg, Rugenbohm und In de Hees (Dockenhuden) und über alle drei Gemarkungen erstreckte sich die Flur Hogenfeld. Die Ländereien wurden, soweit sie abgelegen waren oder aus anderen Gründen ungeeignet erschienen, gegen andere getauscht und so ein Terrain gewonnen, auf dem nun durch Aufteilung in Villengrundstücke die Villenkolonie Hochkamp entstand.

Unter Verwertung seiner in Neu-Othmarschen gemachten Erfahrungen führte Ancker, den Loesener zu seinem Vertreter in allen die Anlage betreffenden Angelegenheiten ernannt hatte, diese in noch größerem und besserem Maßstabe durch. Meist bogenförmige Straßen wurden angelegt und mit der das ganze Gelände halbierenden Kaiser-Wilhelm-Straße (Dörpfeldstraße) und den in sie einmündenden Bismarck- (Reichskanzler-), Bogen- (Fontane-), Frieden-, Kronprinzen-, Eitel-Fritz- (östl. Teil Tietze-), Sedan- (Meyerhof-), Königgrätzstraße u. a. m. ein großer Spielplatz geschaffen. Auch ein „erstklassiger Gasthof“ wurde gebaut – „Haus Hochkamp“ (das noch erhaltende große Gebäude südl. des Bahnhofs). Die schwierige Frage der Entwässerung wurde gelöst durch Anlage eines selbständigen Stammsiels von 2,6 km Länge nach der Elbe hin und einer Tiefe bis zu 16 m. Nach Verhandlungen mit der Eisenbahndirektion Altona wurde 1899 eine Haltestelle der Eisenbahn eröffnet, wofür nicht nur der Grund und Boden von Loesener/Ancker kostenlos abgetreten wurde, sondern auch alle Kosten der sämtlichen zur Aufhöhung, Verbreiterung und Verschiebung des Bahnkörpers erforderlichen Erdarbeiten von ihnen getragen werden mußten, desgleichen die Kosten aller Bauwerke usw.. Der Name für den neuen Bahnhaltepunkt erregte die Gemüter. Viele wünschten, daß er „Nienstedten“ genannt werden sollte, die Unternehmer schlugen „Hohenfelde“ vor, weil die meisten Ländereien auf dieser Flur lagen. Doch veranlaßte die Eisenbahnverwaltung die Umwandlung in „Hochkamp“, weil der Name Hohenfelde schon für andere Stationen bestand. Für den möglichst einheitlichen Bau der „Einfamilienhäuser im Villenstil ohne gewerbliche Betriebe“ wurde eine Reihe von Anordnungen erlassen. Ausführende Architekten waren vor allem Edmund Steen, Fernando Lorenzen und Franz Albert Bach.

Loesener starb 1903. Die Restländereien übernahm die am 5. März 1906 gegründete „Terraingesellschaft Hochkamp m.b.H.“, deren einzige Gesellschafter die Witwe Crisca Loesener, geb. Sloman, und ihre mit ihr in fortgesetzter Gütergemeinschaft lebenden Kinder waren, während zu Geschäftsführern und zu Generalbevollmächtigten der Villenkolonie Ferdinand Ancker und Loeseners Schwiegersohn, Kaufmann Alfred P. Hesse, bestellt wurden. Ancker ist 1920 in Hochkamp gestorben.

In einer Beschreibung heißt es um 1909: „Die Anlage des Straßennetzes und der Straßen selbst, der Anpflanzungen, elektrischen Lichtanlagen und vornehmen herrschaftlichen Villen läßt das Unternehmen als ein wohlgelungenes erkennen. Von dem künstlich hergerichteten Hügel genießt man, da das Terrain an sich schon hoch gelegen ist, eine sehr gute Fernsicht nach Hamburg hin“. – Über die zahlenmäßige Entwicklung (Villen, Einwohner) können nur unvollständige Angaben gemacht werden. Aus dem Adreßbuch von 1915 ist zu ersehen, daß der in Osdorf errichtete Teil aus 35 Villen und Wohnhäusern mit 210 Personen bestand, und 1927 gehörten zu Hochkamp im Nienstedtener Anteil 96, im Osdorfer 82 und im Dockenhudener 14 Villen.

(Otto Hinze in Festschrift zur „Heimatwoche“ Nienstedten-Osdorf-Klein Flottbek, 1951 – Auszug)

Buchempfehlung

Wolfgang Meyer, Fernando Lorenzen – Ein Hamburger Architekt des Deutschen Kaiserreichs (1859 bis 1917), Wachholtz Verlag, Neumünster 2008, ISBN 978-3-529-05179-1

Das Buch ist dem Architekten gewidmet, der in seinem kurzen Leben von 58 Jahren zahlreiche Kirchen und Pastorate in Hamburg gebaut hat. Zusammen mit seinem Kompagnon Edmund Stehn war er mit dem Bau von Einzelhäusern wesentlich an der Entwicklung der Villenkolonien in Othmarschen und Hochkamp beteiligt. Der Autor möchte mit der Recherche nach Leben und Werk des nahezu vergessenen Architekten diesen in das öffentliche Bewusstsein zurück führen. Ergebnisse intensiver Quellenforschung und hervorragende Abbildungen (s/w) verschaffen insbesondere Freunden der schönen Villenanlagen in den Elbvororten sehr interessante Eindrücke.