“Nienstedten-Dockenhuden” Mühlenberg, Hirschpark und Führungsakademie
Offiziell gibt es Dockenhuden nicht mehr. Das ehemalige Bauerndorf wurde 1919 nicht ganz widerstandslos der flächenmäßig kleineren, aber bekannteren Fischersiedlung Blankenese „einverleibt“ – einschließlich Kirche, Bahnhof und Gosslerhaus. Im Zuge der Neuordnung der Stadtteile folgte dann 1938 auch noch die „Zerteilung“: Der größere westliche Teil blieb bei Blankenese, der östliche u.a. mit dem Hirschpark kam zu Nienstedten. Die neue Ortsteilgrenze geht mitten durch Dockenhuden, dort wo es am schönsten ist, nämlich entlang der Straße „Mühlenberg“. Das ändert aber sicherlich nichts daran, daß sich Dockenhudener und Mühlenberger auch weiterhin als eigene Dorfgemeinschaft empfinden.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts ist das Wildgehege im Hirschpark durch Johann Cesar VI. Godeffroy (1813-1885) angelegt worden. Sein Großvater Johann Cesar IV. Godeffroy (1742- 1818) erwarb am 30. Oktober 1786 den Landsitz für 33.100 Taler aus dem Nachlaß des im gleichen Jahr verstorbenen Hamburger Kaufmanns Berend Johann Rodde (1730-1786). Nachweislich seit 1620 war diese Landstelle im Besitz von Hamburger Kaufleuten, Offizieren und Adligen. B. J. Rodde und sein Besitzvorgänger hatten seit Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Landsitz auf etwa 3 Bauhöfe vergrößert und damit größere zusammenhängende Flächen im Besitz. So hatte wohl der Kaufmann J. B. Rodde die Lindenallee anlegen lassen und damit eine gerade herrschaftliche Anfahrtsstraße zu seinem bauernhausartigem Sommerwohnsitz geschaffen.
Johann Cesar IV. Godeffroy hatte Ende 1786 seinen Landsitz in Dockenhuden erworben. 1789 kaufte sein Bruder Peter Godeffroy westlich des Mühlenberger Tals den Besitz des Altonaer Justizrats C. Matthiessen. Beide Brüder hatten kurz vorher eine reiche Erbschaft angetreten und waren daher wohl interessiert, ihr neues Kapital sicher anzulegen. Beide ließen sich nun „moderne“ Sommer-Landhäuser durch den „fortschrittlichen“ jungen Architekten Christian Frederik Hansen (1756-1845), den königlichen Landbaumeister für Holstein, erbauen. C. F. Hansens Hirschparkvilla ist sein erstes größeres privates Bauvorhaben und steht am Anfang der vielen bedeutenden Bauten des späteren obersten Baubeamten des gesamtdänischen Staates und Kopenhagener Akademiedirektors. Altona und die Elbvororte mit ihren C. F. Hansen-Bauten sind daher ständiges Studienziel dänischer Architektur- und Kunstfreunde.
Die Hirschparkvilla wurde 1789-1792 gebaut. C. F. Hansen nahm die Baupläne in die Sammlung seiner Präsentationszeichnungen auf. Der zweigeschossige fünfachsige Mittelbau nebst eingeschossigen dreiachsigen Seitenflügeln enthält in der Eingangshalle der Nordfront mit zwei kräftigen Sandsteinsäulen und Freitreppe ein Zeichen von Monumentalität. Hier liegen einerseits Anklänge vor an Harsdorff‘s (Hansens Lehrer) Herkules-Tempel im Kopenhagener Park des Schlosses Rosenborg. Andererseits machen sich hier Einflüsse der zeitgenössischen französischen Revolutionsarchitekten bemerkbar. Die Villa ist weitgehend auf die Eingangsfront ausgerichtet; zur Südseite gen Elbe und zum Mühlenberger Tal fehlt eine direkte Beziehung – es fehlen dort Türen und Freitreppen.
Die Godeffroys haben den Hirschpark geschaffen und geprägt. Johann Cesar IV., Johann Cesar V. und Johann Cesar VI. Godeffroy betrieben Welthandel. Unglückliche Umstände, finanzielle Überbeanspruchung in der Südsee, führten 1879 zum Konkurs. Johann Cesar VI. Godeffroy, „König der Südsee“ war ein Förderer von Wissenschaft und Forschung. Als wohl heute noch allgemein bekannt ist die von ihm geförderte Forscherin Amalie Dietrich zu nennen. In den Kaufmannskreisen blieb der Hirschparkbesitzer weiterhin der Ehrenmann. Befreundete Bankhäuser hatten den Hirschparkbesitz gegen Konkursforderungen übernommen und ihn Johann Cesar VI. Godeffroy und seiner Ehefrau für weitere 10 Jahre unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Als Johann Cesar VI. Godeffroy 1885 gestorben war, kam der Park zum Verkauf.
Nächster Besitzer wurde der Altonaer Kaufmann und Kommerzienrat Ernst August Wriedt. Der Park hieß nun Wriedt‘s Park. 1924, nach dem Tod des Besitzers, kaufte dann die Gemeinde Blankenese mit Hilfe des preußischen Staates den Park. Der Park wurde öffentlich. Über die Eingemeindungen 1927 nach Altona und 1938 nach Hamburg ist der Hirschpark einer der bedeutenden Parks der Freien- und Hansestadt Hamburg geworden.
Durch die neue Grenzziehung gelangten neben dem Hirschpark und etlichen Villengrundstücken auch militärische Anlagen zu Nienstedten, in denen später die Führungsakademie der Bundeswehr als höchste Ausbildungsstätte unserer Streitkräfte eingerichtet wurde. Der Lehrbetrieb wurde 1957 zunächst in der Clausewitz-Kaserne an der Manteuffelstraße aufgenommen. Später kamen die Graf von Baudissin- und die Reichspräsident-Ebert-Kaserne dazu (Blomkamp in Osdorf bzw. Osdorfer Landstraße in Iserbrook). Namensgeber für die drei Anlagen waren der preußische Militärreformer Carl von Clausewitz, Generalleutnant Wolf Graf von Baudissin, der den „Staatsbürger in Uniform“ prägte, sowie Friedrich Ebert, erster Reichspräsident der Weimarer Republik. „Mens agitat molem“, der (lebendige) Geist bewegt die (tote) Materie (in die gewollte Richtung) – so lautete daher auch der Leitspruch im Wappen der Führungsakademie.
Über die Aufgaben der Akademie heißt es militärisch knapp und exakt in einer Broschüre: „Kern des Auftrags der Führungsakademie der Bundeswehr ist die Aus- und Fortbildung bereits berufserfahrener Offiziere für die Verwendung als Stabsoffizier. Es werden Offiziere aller drei Teilstreitkräfte zum größten Teil gemeinsam ausgebildet.“ So studieren hier ständig mehr als 600 Lehrgangsteilnehmer, darunter auch rund 100 ausländische Gäste aus etwa 50 Nationen. Pro Jahr werden mehr als 30 verschiedene Seminare und Lehrgänge durchgeführt mit über 2.000 Teilnehmern. Zu vergleichbaren Einrichtungen alliierter oder befreundeter Staaten besteht ein enger Kontakt. Es gibt gegenseitige Besuche, Austauschprogramme und vieles mehr – nicht nur auf militärischem Gebiet, sondern auch auf kulturellem und gesellschaftlichem.
Die Akademie gehört zu den zentralen militärischen Dienststellen der Bundeswehr. Geführt wird sie von einem Offizier im Dienstgrad Generalmajor/Konteradmiral. Unterrichtet wird von über 100 militärischen und ca. 20 zivilen Dozenten; Gastdozenten aus vielen gesellschaftlichen Bereichen ergänzen die Ausbildung. Der Stoff wird vermittelt und erarbeitet in zahlreichen Lehrgängen und Seminaren. Schwerpunkte sind (neben der fachlich-militärischen Qualifikation): Sicherheitspolitik, Führung und Management, aber auch Sozialwissenschaften und Politik. Im sogenannten „Fachzentrum Planübungen“ werden mit modernster Technologie computer- gestützte Übungen durchgeführt für humanitäre Einsätze, Krisenbewältigung sowie für die Landes- und Bündnisverteidigung. Zu dem jüngst fertiggestellten Neubau findet mit modernster EDV-Technik der sprichwörtliche „Krieg im Saale“ statt. Sandkastenspiele gibt es nicht mehr.
Der Begriff „Multinationalität“ ist aus dem militärischen Alltag der Bundeswehr nicht mehr wegzudenken. Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben sieht daher die Akademie, militärische Führungskräfte auf zukünftige Aufgaben im multinationalen Rahmen vorzubereiten. Sind doch unsere Streitkräfte an etlichen übernationalen Korps und Großverbänden beteiligt. Dazu kommen Einsätze wie die in Bosnien, im Kosovo und mittlerweile in Afghanistan. Einige Einrichtungen der Führungsakademie können auch zivil genutzt werden, wie z.B. die Sportanlagen.
(Der Heimatbote 07/2001 (Dockenhuden), 07/1992/HC (Hirschpark), 11/2000 (Führungsakademie))
Weiterführende Links
Mehr über die Arbeit der Führungsakademie der Bundeswehr erhalten Sie auf deren sehr informativen Internetseiten, wenngleich man dort mit der lokalen Grenzziehung gewisse Probleme zu haben scheint – aber sicherlich hat man sich am größeren Bekanntheitsgrad Blankeneses orientiert . . . Mit den Themen Demokratie, Schutz und Streitkräfte setzt sich die Clausewitz-Gesellschaft auseinander.
Auch der Hirschparkverein verwendet verwirrender Weise den Namen Blankenese, was aber historisch begründet ist. Der Mühlenberger Sportschiffhafen ist – neben Teufelsbrück – das örtliche Tor zur Welt. Eine schöne Homepage unterhält der Mühlenberger Segelclub – MSC.